Seit dem Schuljahr 2017/18 leben wir nun nicht mehr in Bayern, sondern in Rumänien. Das Gymnasium Waldkraiburg haben wir für drei Jahre gegen die Deutsche Schule Bukarest (DSBU) getauscht. Dass wir dabei ganz neue Erfahrungen machen, war für uns besonders wichtig und ausschlaggebend, um diesen Schritt, diesen „Neuanfang“ zu wagen.
Unser „neues Heimatland“ kannten wir ja bis zu unserem Umzug fast nur von den vielen Erzählungen von euch, liebe Schüler; schließlich haben doch einige unter euch ihren Ursprung hier und haben uns im Vorfeld (und inzwischen auch über Instagram) so manches Spannendes berichtet.
Wir erleben Rumänien vor allem als Land der vielen Gegensätze. Das zeigt sich allein schon in unserem eigenen, privaten Leben: Im Winter können wir manchmal kaum das Haus verlassen. Wenn es richtig schneit, liegt selbst auf den vielbefahrenen Straßen noch so hoch Schnee und Schneematsch, dass wir mit unserem Auto gar nicht aus der Parklücke geschweige denn durch die Straßen kommen. Dann müssen wir es uns zu Hause besonders gemütlich machen. Allein in diesem Schuljahr sind deshalb die meisten Schulen in der Stadt insgesamt zwei Wochen lang geschlossen geblieben.
Im Sommer ist es dafür so heiß, dass wir manchmal froh sind, das Haus nicht verlassen zu müssen. Zum Glück verfügen wir endlich über den Luxus eines eigenen Pools im Garten, sodass uns das manchmal ganz gelegen kommt. Da wir auch sehr nah an einem großen Waldstück wohnen, zieht es uns bei gutem Wetter oft nach draußen, wo wir (im Schatten) Fahrradfahren oder Joggen können oder mit unserer Tochter Josefine den großzügigen Spielplatz nutzen. Ein Stück Natur (fast) mitten in der Großstadt.
Rumänien ist aber auch deshalb ein Land der Gegensätze, weil vor allem hier in Bukarest in extremer Weise, wie wir es vorher noch nie gesehen haben, arm und reich dicht nebeneinander leben. In unserer Wohngegend gibt es vor allem Diplomaten, reiche Rumänen und gut verdienende Ausländer, die wie wir nach Bukarest gekommen sind, um zu arbeiten. Unsere Nachbarn fahren bevorzugt große, schwere Autos, gerne von BMW oder Porsche, wogegen unser Ford maximal als Zweit-, eher Drittwagen durchgehen würde. Viele leben hinter hohen Mauern, die zugleich Sicherheit und Statussymbol darstellen.
Fährt man aber nur 30 Minuten aus der Stadt hinaus, erlebt man ein ganz anderes Rumänien: Man durchquert Dörfer, in denen die Menschen nicht einmal fließend Wasser und Strom in ihren „Häusern“ haben, die bei uns gerade mal als heruntergekommenes Gartenhäuschen durchgehen würden. Man sieht Menschen, die sich auf Gespannen mit Eseln fortbewegen, Feldarbeiter, die mit Pferden pflügen, und immer wieder Menschen, die so arm sind, dass man es sich in Deutschland gar nicht vorstellen kann. Auch das ist Europa! Da wird einem doch wieder bewusst, wie reich wir tatsächlich sind und wie vieles wir in Deutschland inzwischen für viel zu selbstverständlich nehmen.
Und auch beruflich erleben wir Kontraste. An einer deutschen Schule im Ausland treffen sehr unterschiedliche Kollegen aus unterschiedlichen Bundesländern und damit sehr unterschiedliche Schulsysteme aufeinander. Dazu kommen noch rumänische Lehrer und welche aus anderen Nationen, die wiederum alles ganz anders handhaben. Dass es da manchmal recht chaotisch zugeht, kann man sich leicht vorstellen. Klare Regeln gibt es oft (noch) nicht, auch deshalb, weil die Schule sich noch im Aufbau befindet. Das ist manchmal ziemlich anstrengend, bietet aber zugleich einige Freiheiten und lässt uns zudem über den bayerischen Tellerrand hinaus schauen. Dazu genießen wir, dass es sehr viel weniger Schüler sind (in der Q11 zum Beispiel nur ein Schüler, in der 10. Jahrgangsstufe vier) und wir nicht zuletzt deshalb – und auch das ist für uns eine ganz neue Erfahrung – aufgrund der deutlich weniger anfallenden Korrekturen plötzlich selbst als Deutschlehrer in der Regel ein freies Wochenende haben, was in Bayern so gut wie nie der Fall war. Das ist nicht nur für uns als Familie unbezahlbar, sondern gerade dann, wenn man für begrenzte Zeit in einem so großen Land wohnt, das man gerne noch besser kennenlernen möchte.
Natürlich stellen wir uns oft die Frage, ob es die richtige Entscheidung war, von Waldkraiburg weg und nach Rumänien zu gehen. Aber sooft wir darüber nachdenken, können wir für uns diese Frage nur mit Ja beantworten. Klar vermisst man das Gewohnte: Man vermisst die vertrauten Schüler, man vermisst die netten Kollegen und vor allem Familie und Freunde. Selbstverständlich ist es einfacher, wenn man in einem Land lebt, dessen Sprache man nicht nur spricht, sondern dessen Regeln man auch kennt und versteht. Man weiß, wie man seine Rechnungen bezahlen muss, man weiß, was zu tun ist, wenn man krank ist und dass man sich auf die medizinische Versorgung verlassen kann, und man weiß, wen oder wo man fragen kann, wenn man Hilfe braucht. Aber genau das war auch mit ein Grund, weshalb wir weg wollten. Für uns war es allerhöchste Zeit, mal wieder die Komfortzone zu verlassen. Oft begnügt man sich ja gerade damit, dass es bequem ist, da zu bleiben, wo man ist. Sich weiterzuentwickeln ist immer mit Anstrengung verbunden. Und die Erfahrungen, die wir jetzt in Rumänien machen, sind wirklich nicht immer die besten. Wir kämpfen mit Stromausfällen, undurchschaubaren Rechnungen, bürokratischen Hindernissen und einem Leben, in dem man sich nicht auf die Heizung verlassen kann und wo vieles nicht so einfach geht wie in Deutschland. Aber wir erleben auch sehr viel Positives, schöne Landschaften und neue Städte, lernen ganz andere Menschen kennen als die, mit denen wir bisher Kontakt hatten. Wir wissen noch einmal mehr zu schätzen, was unser Schulsystem für Schüler und Lehrer Positives mit sich bringt. Und wir haben wieder einmal für uns erkannt, wie gut es den Menschen in Deutschland geht. Allein diese Erkenntnis war für uns schon diese Reise wert. Und nicht zuletzt erleben wir uns auch als Familie und als Paar ein Stück weit neu.
Zwei Jahre liegen mindestens noch in diesem Land vor uns und wir haben das Gefühl, noch lange nicht alles gesehen und erlebt zu haben, was es hier mitzunehmen gibt. Es ist noch sehr viel zu entdecken und trotzdem freuen wir uns immer wieder, wenn wir nach Hause fahren.
Den Schülerinnen und Schülern am Gymnasium Waldkraiburg und unseren ehemaligen Kollegen wünschen wir von Herzen alles Gute. Wir freuen uns darauf, euch wiederzusehen.
Eure Julia und Hubert Meilhamer